Abteilung Schaltkreise - Information - Modelle

Schaltkreise - Information - Modelle

Unsere Abteilung interessiert sich dafür, wie das Gehirn rechnet. Im Speziellen möchten wir verstehen, wie neuronale Informationsverarbeitung auf der Ebene einzelner Nervenzellen und kleiner Schaltkreise funktioniert. Das Beispiel, an dem wir neuronale Berechnungen untersuchen, ist die visuelle Kurskontrolle in der Fruchtfliege Drosophila. Aus mehreren Gründen ist dies ein verstehbares System: Seine Berechnungen sind von mäßiger Komplexität, die Berechnungen finden in Schaltkreisen statt, die nur eine begrenzte Zahl von Neuronen beinhalten (zumeist weniger als 100), und jede dieser Nervenzellen kann mittels genetischer Methoden manipuliert und in ihrer Aktivität beobachtet werden.

Um ein ganzheitliches Bild über die Informationsverarbeitung im visuellen System der Fliege zu erhalten, kombinieren wir verschiedene methodische Ansätze. Zum einen fertigen wir sehr präzise anatomische Rekonstruktion der Nervenzellen an. Zum anderen charakterisieren wir im Detail die Physiologie der zellulären Antworteigenschaften sowie deren Rolle im Verhalten. Computersimulationen erlauben uns weiterhin unsere Erkenntnisse in einem größeren Rahmen zu betrachten und Vorhersagen für zukünftige Experimente zu machen. Inspiriert von den Erkenntnissen über das visuelle System der Fliege und die Art, wie sie Bewegungssignale verarbeitet, wird bei uns auch ein elektrischer Schaltkreis entwickelt, welcher die bewegte Umgebung über eine Kamera analysiert und ein Flugobjekt auf einem stabilen Kurs halten kann.

Projekte

Mechanismen der Richtungsselektivität
Jedes sehende Tier ist auf Informationen über Bewegungsrichtungen angewiesen – sei es für die visuelle Kurskontrolle, zum Beutefang oder für die Flucht vor Räubern. Die Richtung, in die sich etwas bewegt, wird jedoch nicht durch die Fotorezeptoren dargestellt, sondern muss von nachgeschalteten neuronalen Schaltkreisen berechnet werden. Wir untersuchen diese wichtige und grundlegende neuronale Berechnung im visuellen System der Fliege. mehr
Neuroethologie des Bewegungssehens
Visuelles Feedback, das aus der Eigenbewegung entsteht wird optischer Fluss genannt. Es liefert Tieren eine reichhaltige Informationsquelle bezüglich ihrer eigenen Rotations- und Translationsbewegungen und zur räumlichen Struktur der Umgebung. Wir wollen herausfinden, wie bewegungsempfindliche Nervenzellen bestimmte optische Flussfelder erkennen. Darüber hinaus untersuchen wir die Rollen der lokalen und globalen Bewegungserkennung für die Kurssteuerung von Fliegen. mehr
Dendriten-Entwicklung 
Wir untersuchen die Entwicklung der richtungs-selektiven T4/T5 Neuronen im visuellen System von Drosophila melanogaster. Der Focus liegt darauf die Bildung der unterschiedlichen Subtypen von T4/T5 Neuronen aufzuklären. Vor allem die Morphologie der Dendriten scheint eine wichtige Rolle zu spielen, um die spezifischen Antworteigenschaften zu erklären. mehr

Experimentelle Ansätze

Neurogenetik
Wir machen uns neurogenetische Verfahren in Drosophila zunutze, um bestimmte Proteine in interessanten Nervenzellen zu exprimieren. Zum Beispiel ermöglichen Zellmarker detaillierte anatomische Analysen. Auch können Biosensoren neuronale Aktivität in Fluoreszenzsignale übersetzen, die mit Hilfe der 2-Photonen-Mikroskopie dreidimensional erfasst werden können. Schließlich ist eine kontrollierte Expression von Ionenkanälen, Toxinen und anderen Effektoren, die die neuronale Physiologie stören, unerlässlich. In Kombination mit physiologischen und Verhaltensmessungen können wir so die Rolle der Nervenzellen in den untersuchten Berechnung ermitteln. mehr
Molekulare Charakterisierung
Mit Hilfe der leistungsstarken genetischen Werkzeuge, die für Drosophila verfügbar sind, und mit modernsten Transkriptom-Technologien untersuchen wir die molekularen Programme, die der Entwicklung und Funktion visueller Schaltkreise des Bewegungssehens zugrunde liegen. mehr
Elektrophysiologie
Der Informationsfluss im Gehirn entsteht aus der elektrischen Aktivität der Nervenzellen. Um diese Aktivität zu erfassen, führen wir elektrophysiologische Aufzeichnungen durch. Wir messen mit Hilfe von Elektroden bei identifizierten Neuronen des visuellen Systems, wie z.B. den bewegungsempfindlichen Zellen in der Lobula-Platte der Fliege. Durch kombinieren dieser Technik mit genetischer Stummschaltung oder optogenetischer Stimulation vorgelagerter neuronaler Elemente untersuchen wir die funktionelle Rolle und Konnektivität bestimmter Zelltypen, die an der Bewegungserkennung beteiligt sind. mehr
Funktionelle Bildgebung mit 2-Photonen-Mikroskopie
Als Alternative zur Elektrophysiologie nutzen wir Protein-Biosensoren, die neuronale Aktivität über Fluoreszenzveränderungen anzeigen. Mit der 2-Photonen-Mikroskopie können wir das für die Anregung notwendige Licht auf ein kleines, bewegtes Voxel Gehirnregion beschränken. So kann die neuronale Aktivität ohne vorherige Erregung der Photorezeptoren dreidimensional erfasst werden. Mit dieser Technik können wir die Antworten vieler kleiner, in Kolumnen angeordneten Zellen erfassen, die für elektrophysiologische Untersuchungen unerreichbar sind. mehr
Angebundenes Verhalten
Um die Transformation von visuellem Input zu einem Verhaltensoutput zu untersuchen, quantifizieren wir die Drehbewegungen und andere Verhalten in festgebundenen gehenden und fliegenden Fliegen. Für diesen Ansatz braucht es eine hohe experimentelle Kontrolle, zum Beispiel über den präsentierten visuellen Reiz. In Verbindung mit selektiven neuronalen Aktivitätsmanipulationen verwenden wir diesen Ansatz auf zwei Arten: 1) Um zu untersuchen, ob die nicht-richtungsselektiven Neuronen für visuelle Berechnungen benötigt werden und 2) Um die Rolle von Detektoren für den optischen Fluss beim Geh- und Flugverhalten zu untersuchen. mehr
Freies Verhalten
Um eine naturgetreuere Sicht auf das Bewegungssehen zu erhalten, untersuchen wir die Kurssteuerung sowohl bei frei gehenden als auch bei fliegenden Fliegen. Zu diesem Zweck filmen wir die Fliegen und entwickeln Algorithmen, um automatisch Merkmale wie Position, Orientierung und Haltung zu extrahieren. Dieser Ansatz wird mit visueller Stimulation und genetischen Manipulationen ausgewählter visueller Neuronen kombiniert, um die Rolle der Nervenzellen für das entsprechende Verhalten abzuleiten. mehr
Computersimulation
Wir untersuchen die Schaltkreise zur Bewegungserkennung. Dabei ist die Modellierung ein wesentlicher Bestandteil, der unsere täglichen Experimente begleitet. Die Modellierung hilft zu überprüfen, ob unsere intuitive Erklärung eines bestimmten Ergebnisses korrekt ist und was, aufbauend auf diese Erklärung, in einem nachfolgenden Experiment zu erwarten ist. Außerdem hilft die Modellierung zu definieren, was wir noch nicht verstehen. mehr
Zur Redakteursansicht